125 Jahre alt oder besser gesagt jung? Festgottesdienst zum Gemeindejubiläum am 11.11.2018
Alter ist ziemlich relativ. Was sind schon 125 Jahre, wenn die evangelische Kirche letztes Jahr 500 Jahre Reformation gefeiert hat, ganz zu schweigen von der katholischen Kirche, die auf über 1000 Jahre Geschichte zurückblickt. Das Entscheidende an einem Jubiläum sollte also nicht die Anzahl der Jahre sein, sondern ein positives Erinnern. Das beinhaltet zum einen Dankbarkeit an Gottes Führung, ferner ein ehrliches Reflektieren, was gut war und was man besser machen könnte, um dadurch Mut und Orientierung für die Zukunft zu bekommen.
Diesen Tatbestand wollte Pastor Albert Esau in seiner Predigt aufgreifen, dass er vorne ein Ruderboot hatte platzieren lassen. Er wollte damit vertiefen: Wenn man rudert, blickt man zurück, was noch kommt, weiß man nicht. Sehr spannend war deshalb auch Interviews mit den zwei ehemaligen Gemeindeleitern, die jetzt noch leben, ferner dem amtierenden und einer Teenie-Mitarbeiterin der Jugendgruppe (denn die Verantwortlichen sind inzwischen nicht alle nur männlich). Albert Esau hatte Günter Schmidt zu Hause befragt, weil ein Interview im Stehen jenem mit 88 Jahren zu anstrengend gewesen wäre. Hans-Werner Siebel und Volker Ingo Preyer wurden heute interviewt und berichteten von einschneidenden Erlebnissen, Krisen, Erfolgen, Perspektiven und Sehnsüchten. Grundtenor war und ist: Wir sind unterschiedlichste Leute, aber uns eint der Glaube an Jesus Christus. Deshalb sind wir auch eine Gemeindefamilie und bezeichnen uns gegenseitig als Geschwister, früher sogar wortwörtlich mit Schwester und Bruder. Wichtig ist dabei, dass sich möglichst jeder angesprochen und wertgeschätzt fühlt. Und deshalb gab es in diesem Gottesdienst die unterschiedlichsten Beiträge:
Musik des Männerchors, des Singkreises, der Jugendband, gemeinsam gesungene Lieder, begleitet von einem Musikensemble, einen Part für die Kinder (der sehr zum Schmunzeln und gleichzeitig kurzweilig für alle Anwesenden war), jene Interviews mit den Gemeindeleitern und eine kurze Rückschau auf die Gemeindegeschichte: Wie alles begann, von Höhen und Tiefen, Streit, Entzweiung und Versöhnung, unruhigen Zeiten durch zwei Weltkriege, Gemeindewachstum, Veränderungen und vieles mehr. Nach fast zwei Stunden Gottesdienst lud man alle zum gemeinsamen Mittagessen ein. Nach dem Essen wurden Grußworte gesprochen, praktischerweise, das müsse man sich merken, meinte einer der Redner, dann würden nämlich nicht alle innerlich hoffen, es möge bald vorbei sein mit den Glückwünschen, denn es sei viel entspannter.
An dieser Stelle noch zwei persönliche Bemerkungen:
Zum einen: Eines der gemeinsam gesungenen Lieder in diesem Gottesdienst trug den Titel „Herr Jesus, Grundstein der Gemeinde“. Was könnte es ein besseres Statement geben als diese Aussage. Die Musik stammt von J.S. Bach, von daher vermutet man, dass der Text ebenfalls im 18. Jahrhundert entstand. Weit gefehlt. Er wurde 1939 gedichtet und war lebensgefährlich in Zeiten des Hitler-Regimes. (Man bedenke, dass nach der Barmer Erklärung 1934 viele bekennende Christen verhaftet wurden und in Konzentrationslagern verschwanden.)
Zum anderen: Zwei der ältesten Gemeindemitglieder, Inge Thomas (89) und Günter Schmidt (88) sind seit über 70 Jahren Mitglieder der Gemeinde. Beide zusammen wären also noch älter als die Gemeinde selbst.